Von Monochrom zur Farbe

Von Zeit zu Zeit werde ich gefragt, wie aus den monochromen Einzelaufnahmen die farbigen Ergebnisse entstehen, die hier präsentiert werden. Schaut man sich im Internet oder auf YouTube um, finden sich zahlreiche vorgestellte Workflows, die sich teilweise sehr stark unterscheiden und unterschiedliche Tools erfordern. Mein persönlicher Workflow ist sicherlich wiederum anders und legt den Schwerpunkt in die Bildbearbeitung.

Doch zuvor müssen die Daten aufbereitet und in ein Format überführt werden, mit dem die Bildverarbeitung etwas anfangen kann. Bei mir sieht das folgendermaßen aus, aber hier führen auch andere Werkzeuge zu den benötigten Dateien:

  • Stacking
    Zuallererst müssen die aufgenommenen Subs kalibriert (Bias, Flats, Darks) und in einem sogenannten Rohsummenstack zusammengefasst werden. Ich verwende für diesen Schritt den Astro Pixel Prozessor ("APP"), aber das geht natürlich auch mit PixInsight ("PI") oder kostenlosen Tools wie Deep Sky Stacker ("DSS").
  • Kombination von Rot, Grün und Blau
    Nach dem Stacken kombiniere ich die noch separaten Farbkanäle Rot, Grün und Blau in ein RGB Bild. Auch diesen Schritt erledige ich in APP.
  • Beseitigung der Gradienten
    Da die Daten eventuell stark gestreckt werden müssen, ist es absolut notwendig, auch den kleinsten Gradienten (z.B. Lichtverschmutzung) aus den Daten zu entfernen. Bei mir erfolgt auch dieser Schritt, aus Gewohnheit, ebenfalls in APP, natürlich funktioniert das auch mit anderen Tools, wie z.B. Graxpert.
  • Farbkalibrierung
    Wer schöne Sterne mag, kommt um eine Farbkalibrierung des RGB-Bildes kaum herum. Für mich ist das Mittel der Wahl die photometrische Farbkalibrierung in PixInsight.
  • Detail-Optimierung
    Um die feinen Strukturen in den Nebeln etwas besser herausarbeiten zu können, kommen bei mir nun sowohl der BlurXTerminator als auch NoiseXTerminator von RC Astro zum Einsatz. Für mich haben diese KI-gestützten Tools den Workflow deutlich vereinfacht, doch man kommt auch mit Werkzeugen wie der Deconvolution zum Ziel. Von daher ist dieser Schritt eher optional und hat auf die Farben ohnehin keinen Einfluss.
  • Stretching
    Die Bilddaten befinden sich noch immer im sogenannten linearen Zustand. Die interessanten Nebelstrukturen verschwinden bei normaler Betrachtung im Dunkel, sichtbar bleiben nur die ganz hellen Sterne. Mit letztendlich einer steilen Gradationskurve werden diese dunklen Bereiche nun in den mittleren Graubereich "gezogen", ohne dass die Sterne ausbrennen. In PixInsight verwende ich dafür die ganz einfache Screen Transfer Funktion und reduziere meist noch etwas den Kontrast, damit die hellen Bereiche nicht ausbrennen.
    Habe ich ein brauchbares Ergebnis erzielt, wird das Bild nun mit der Histrogramm Transfer Funktion in ein 16 Bit Bild gewandelt, das Format, mit dem auch die Bildbearbeitung umgehen können muss.
  • Stern-Separation
    Am Ende werden noch die Sterne vom Hintergrund separiert. Dafür setze ich den StarXTerminator von RC Astro ein, aber natürlich gibt es hier auch wieder kostenlose Tools wie StarNet. Die Sterne aus den Schmalbanddaten brauchen wir nicht.

Schließlich werden diese fünf Bilder im TIFF Format gespeichert und in die Bildbearbeitung geladen:

Wer einmal etwas mit einem monochromen Workflow experimentieren möchte, findet diese Dateien hier: SH2-119 Rohdateien

Für diese Aufnahme wurde übrigens gar keine Luminanz aufgenommen. Bei einem typischen Schmalband-Target wie diesem brauche ich RGB letztendlich nur für die Sterne, und da ist eine verhältnismässig kurze Belichtungszeit ausreichend. Luminanz wird erst dann benötigt, wenn z.B. Dunkelnebel vor dem Himmelshintergrund sauber herausgearbeitet werden sollen, das ist hier jedoch nicht notwendig. Mehr Informationen dazu finden sich auf der Seite Wohin mit der Luminanz?.

Für alles Weitere benötigen wir nun eine Bildverarbeitung mit diesen Möglichkeiten:

  • Verarbeitung von 16-Bit Farbkanälen
    Da im Folgenden mehr oder weniger starke Eingriffe in die Gradationskurven vorgenommen werden, brauchen wir ausreichend "Bit-Reserve" um am Ende keine sichtbaren Stufen in den Farben zu bekommen.
  • Ebenen und Ebenengruppen
    Für meinen nicht-destruktiven Workflow ist es unverzichtbar, dass die Bildverarbeitung nicht nur mit Ebenen sondern auch mit Ebenengruppen umgehen kann.
  • Ebenen Mischmodus
    Ebenfalls unverzichtbar ist, dass der Mischmodus für die Ebenengruppen einstellbar ist. Benötigt wird hier der Modus "Leinwand" (bzw. "Negativ Multiplizieren").
  • Korrekturfilter
    In den Ebenengruppen muss es möglich sein, mit Korrekturfiltern zu arbeiten. Insbesondere Einfärben und Gradationskurve in einer Ebenengruppe werden benötigt.

Dafür eignet sich selbstverständlich Adobe Photoshop, aber auch zum Beispiel Affinity Photo.

Ziel ist eine Ebenenstruktur, wie ich sie hier in Affinity Photo einmal schnell nachgebaut habe:

Im Prinzip weise ich jeder Pixel-Ebene (RGB Hintergrund, Wasserstoff, Schwefel, Sauerstoff, RGB Sterne) zwei Kontroll-Ebenen zu. Einmal eine Gradationskurve sowie eine Kontrolle der Farbe (Schmalband) bzw. Sättigung (RGB).

Damit die Kontroll-Ebenen nur auf der zugehörigen Pixel-Ebene angewendet werden, packe ich sie jeweils in eine Gruppe.

Für die Farbmischung muss nun bei allen Gruppen der Mischmodus auf "Leinwand" bzw. "Negativ Multiplizieren" gestellt werden. Das kann man sich vorstellen wie separate Projektoren für die einzelnen Farbkanäle, deren Intensität und Färbung individuell gesteuert werden können.

In meiner Version sahen die Teilbilder nach dieser Bearbeitung folgendermaßen aus:

Wer mag, kann sich diese fertigen Bildebenen herunterladen und im Leinwand-Modus ("Negativ Multiplizieren") über die RGB Hintergrundebene legen. Die Färbung sollte dem Bild am Ende dieser Seite entsprechen.

Das mag einfach erscheinen, doch die feine Abstimmung der Farben und Gradationskurven ist die eigentliche Arbeit in meinem Workflow.

Zunächst muss man sich überlegen, wie die Farben der Schmalbanddaten eingestellt werden sollen. Für mich ist ein Türkis (ca. 195° im Farbkreis) für den Sauerstoff irgendwie Pflicht. Bei Schwefel und Wasserstoff ist es ungleich schwieriger und stark abhängig vom Target. In der Regel versuche ich, H-Alpha eine möglichst natürliche, rötliche Färbung zu geben (ca. 350° im Farbkreis). Ionisierter Schwefel wäre ein Tiefrot und würde sich farblich kaum vom Wasserstoff unterscheiden, daher verwende ich eher etwas Gelbes für Highlights. Bei diesem Target habe ich jedoch Rot für den Schwefel verwendet und ein Grüngelb für den Wasserstoff. Folglich entstehen hier grundsätzlich Bilder in Falschfarben, die niemals der Realität entsprächen, wären wir jemals in der Lage, dies mit eigenen Augen zu sehen.

Wer mag, kann natürlich auch eine echte Hubble Palette verwenden, dann wird Schwefel in reinem Rot (0°), Wasserstoff in Grün (120°) und Sauerstoff in Blau (240°) eingerechnet.

Da die Bearbeitung, hinsichtlich der Bilddaten, völlig zerstörungsfrei passiert, lässt sich auch das jederzeit verlustfrei ändern und feinjustieren. Manchmal brauche ich durchaus mehrere Anläufe, um die Schmalbanddaten "zu verstehen", die genauere Betrachtung der Ergebnisse anderer Astrofotografen mag ebenfalls helfen.

Die Feinabstimmung der Gradationskurven kann durchaus etwas fummelig sein und die Geduld auf die Probe stellen. Wie sensibel sich kleine Änderungen auf das Gesamtbild auswirken, zeige ich einmal anhand der Gradationskurve von Schwefel:

Um bei den vielen Kurven den Überblick nicht zu verlieren, beginne ich in der Regel mit dem Hintergrund und deaktiviere zuvor alle anderen Ebenengruppen. Gerade bei einem kurz belichteten RGB Stack nehme ich dort auch einmal die Sättigung heraus und ziehe die Mitte der Gradationskurve ein wenig herunter.

Anschließend werden die Schmalbandgruppen einzeln aktiviert und die Kurven soweit justiert, dass nur Sinnvolles erscheint und das Hintergrundrauschen weitgehend unterdrückt wird. Nun können auch einmal alle Schmalbandebenen gleichzeitig aktiviert werden um zu kontrollieren, dass keine hellen Bereiche überstrahlt sind. Eventuell muss die Deckkraft aller Ebenen ein wenig reduziert werden.

In Verbindung mit einer ständigen Kontrolle der "Problembereiche" werden nun die Kurven und Farben in kleinen Schritten so auf einander abgestimmt, dass sich im Großen wie in den Details ein stimmiges Bild ergibt. Zwischendurch sollte auch immer wieder die Gruppe mit den Sternen aktiviert und deren Gradationskurve ggf. angepasst werden.

Für den Muschelschalennebel habe ich einen sanften Verlauf der Gradation gewählt, das Ergebnis sieht dann so aus: